Sanieren und Heizen: Der Traum vom Eigenheim als Herausforderung – das neue Heizungsgesetz und die Praxis

Das MDR-Team war bei Familien Mitteldeutschlands zu Gast.

Das Wichtigste – es ist Februar 2024 und auch wie vor der Abmilderung des Heizungsgesetzes, es gibt kein Verbot von Heizungsarten. Es wurde und wird Niemandem die funktionierende Heizung verboten oder rausgerissen. Die Panikmache ist Hysterie.

Wie langwierig und kostspielig eine energetische Sanierung sein kann, hat eine Familie aus Schmalkalden in den vergangenen Jahren selbst erlebt. Nicht ohne Grund wurde im Familiengremium oft darüber diskutiert, ob sich der Einbau einer Wärmepumpe tatsächlich lohnt – schließlich hätte man für das Geld noch mindestens fünfzehn bis zwanzig Jahre Öl kaufen können. Ein Thema, das in den nächsten Jahren auf Millionen von Eigentümerinnen und Eigentümern zukommt.

Noch vor der parlamentarischen Sommerpause hat die Ampel-Koalition nach schwierigen Verhandlungen eine Grundsatzeinigung über das Gebäudeenergiegesetz (GEG) erzielt. Demnach sollen ab 2024 alle Heizungen in Neubauten in Neubaugebieten zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Gasheizungen dürfen unter der Voraussetzung, dass sie auf Wasserstoff umgerüstet werden können, auch nach dem 1. Januar 2024 in neuen Gebäuden installiert werden. Zudem bleibt es bis auf Weiteres erlaubt defekte Öl- und Gasheizungen zu reparieren.

Kommunale Wärmeplanung zuerst: Vorerst keine Austauschpflicht für Heizungen

Das Gesetzesvorhaben greift allerdings nur, wenn eine gültige und langfristige Wärmeplanung vonseiten der Kommunen vorliegt. Für Bestandsgebäude sieht der Gesetzesentwurf zunächst keine Änderungen vor. Denn solange es keine Wärmeplanung gibt, können Eigentümerinnen und Eigentümer nicht wissen, was die günstigste Heizungsvariante ist und ob beispielsweise ein Anschluss ans Fernwärmenetz möglich ist oder ein bestehendes Gasnetz auf Wasserstoff umgerüstet werden soll. In Großstädten soll die kommunale Wärmeplanung bis 2026 erfolgen, in Kleinstädten bis spätestens 2028. Auch kleinere Kommunen mit weniger als 10. 000 Einwohnerinnen und Einwohnern sollen in die Pflicht genommen werden, wenn auch mit vereinfachten Vorgaben. Eine erneute Beratung über das Gebäudeenergiegesetz findet zwischen den Fraktionen im Bundestag am Freitag, den 8. September statt.

Wie dies im Einklang mit der geplanten EU-Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (kurz EPBD) steht, bleibt weiter offen. Mit der EPBD möchte die Europäische Kommission die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union dazu verpflichten, bis 2030 die ineffizientesten 15 Prozent des nationalen Gebäudebestandes energetisch zu sanieren. Laut Eigentümerverband Haus & Grund existieren in Deutschland 19,4 Millionen Wohngebäude.

Europäische Vorgaben: Rund drei Millionen Häuser müssten energetisch saniert werden

Die Umsetzung der EPBD würde bedeuten, dass rund drei Millionen Häuser energetisch saniert werden müssten. Von den Renovierungsmaßnahmen betroffen wären vor allem Ein- und Zweifamilienhäuser. „Es ist mir und uns völlig unklar, wie die EPBD praktisch umsetzbar sein soll“ , sagt Kai Warnecke, der Präsident des Eigentümerverbandes Haus & Grund. „Die politische Debatte ist meilenweit von der Realität entfernt. Das ist Politik vom grünen Tisch. Keiner von denen ist jemals in einem Heizungskeller gewesen. Ich weiß nicht, woher die Handwerker kommen sollen und woher die technischen Geräte“.

Es ist mir und uns völlig unklar, wie die EPBD praktisch umsetzbar sein soll.Kai Warnecke Haus & Grund

Bereits jetzt stehen Eigentümerinnen und Eigentümer vor großen Herausforderungen, wenn es um die energetische Sanierung ihrer Häuser geht. Lange Wartezeiten, Fachkräftemangel, Ressourcenknappheit und immense Kosten begleiten den Weg zum energieeffizienten Eigenheim. Carolin Hilpert und Josef Wilhelm aus Schmalkalden im Westen Thüringens haben sich für eine freiwillige Sanierung ihres 188 Quadratmeter großen Hauses entschieden. Das Einfamilienhaus ist um die hundert Jahre alt und wurde die letzten dreißig Jahre von einer Ölheizung beheizt. Bereits vor Beginn des Ukrainekrieges entschied sich die Familie für eine Photovoltaikanlage und eine neue Heizquelle.

Familie entschied sich gegen Empfehlungen von Firmen für eine Wärmepumpe

Carolin Hilpert und Josef Wilhelm haben sich früh für die nachhaltige Variante entschieden – und müssen trotzdem noch auf die Wärmepumpe warten.Bildrechte: MDR/Lena Wensch

Obwohl die meisten Firmen damals zu einer Hybrid- oder Pelletsheizung rieten, war für Josef Wilhelm klar, dass eine Photovoltaikanlage in Verbindung mit einer Wärmepumpe für ihn die nachhaltigste Lösung für die Zukunft ist. Sein 65-jähriger Schwiegervater – der mit im Haus wohnt und die Sanierungen finanziert – war zunächst skeptisch. „Wir mussten schon viel Überzeugungsarbeit leisten. Wir hatten relativ viele Firmen da und jeder hat etwas anderes gesagt. Und je mehr kritische Stimmen, desto unsicherer wurde mein Schwiegervater“, erklärt Josef Wilhelm. Und damit ist der 65-Jährige nicht allein. Gerade ältere Personen haben Sorge eine neue Technologie auszuprobieren und greifen lieber auf bestehende Ressourcen wie Holz, Gas oder Öl zurück. Zudem fordert der Einbau einer Wärmepumpe weitere Sanierungsmaßnahmen. „Das sind wahnsinnige Dimensionen, die man da eingeht. Mein Schwiegervater kam oft mit dem Argument: Für das Geld könnte ich mir noch fünfzehn bis zwanzig Jahre Öl kaufen“.

Doch letztlich entschied sich das Familiengremium für eine Wärmepumpe. Inzwischen wurden in dem Haus die Fenster erneuert, die Kellerdecke und das Dach gedämmt und eine Photovoltaikanlage mit Speicher installiert. Den Fachkräftemangel und die damit verbundenen langen Wartezeiten hat die Familie aus Schmalkalden deutlich zu spüren bekommen. „Die Photovoltaikanlage wurde nach einem halben Jahr aufs Dach gebracht – da konnte sie aber noch nichts. Es hat dann noch mal drei bis vier Monate gedauert, ehe sie ans Netz angeschlossen wurde und noch mal ein paar Monate, ehe der alte Stromzähler getauscht wurde“, erzählt Josef Wilhelm.

Lange Lieferfristen bei Wärmepumpe: Hoffnungen auf ölfreien Winter

Bei der Wärmepumpe ist die Situation nicht besser. Diese wurde von der Familie im Februar 2023 bestellt. Aktuell gibt es nicht mal einen Liefertermin. „In der Regel wartet man eineinhalb Jahre auf eine Wärmepumpe. Wir hatten schon die Hoffnung, dieses Jahr kein Öl mehr bestellen zu müssen. Und jetzt zeichnet sich schon wieder ab, dass wir ohne Öl nicht über den Winter kommen, weil es mit der Wärmepumpe nichts wird“, so der 38-Jährige. Knapp 50.000 Euro hat die Familie bisher in die Hand genommen, um sich den Traum eines energieeffizienten Eigenheims zu erfüllen. Ein Kredit musste nicht aufgenommen werden. Carolin Hilpert betont, dass sie ihrem Vater für die Finanzierung sehr dankbar ist: „Er macht das ein Stück weit für uns, damit wir in Zukunft weniger Sorgen haben“. Bei der Familie in Schmalkalden war das nötige Kapital vorhanden, doch das ist vermutlich eher die Ausnahme.

Typische Panele einer Photovoltaik-Anlage auf einem Dach eines Hauses mit roten neueren Ziegeln

Geduld mit Photovoltaik: Bis sie angeschlossen werden konnte, hat es drei bis vier Monate gedauert.Bildrechte: MDR/Lena Wensch

Für die Renovierung Europas rechnet die Europäische Kommission mit Kosten von 240 Milliarden Euro im Jahr. Knapp die Hälfte soll mit EU-Geldern finanziert werden. Für den Rest werden Bund und Eigentümer zur Kasse gebeten. Gerade bei der Finanzierbarkeit der EPBD sieht Haus & Grund die größten Schwierigkeiten. Kai Warnecke erläutert, dass es sich bei den meisten Eigentümerinnen und Eigentümer um ältere Personen handelt, gerade auf dem Land. Diese kriegen aufgrund von Eigenkapitalvorschriften keine Kredite mehr und müssen somit geplante Modernisierungen aus eigener Tasche bezahlen.

Nicht alle verfügen über die notwendigen finanziellen Mittel und sie erhalten auf Grund ihrer zu geringen Lebenserwartung keinen Kredit von der Bank.Prof. Dr.-Ing. Matthias Strunz

Ein Problem, dass auch Matthias Strunz aus Riesa kennt. Momentan denkt er über die Anschaffung einer Photovoltaikanlage nach, um gegebenenfalls Stromkosten einzusparen. Die konzipierte Anlage würde ihn mit Speicher etwa 25.000 Euro kosten. „Entscheidungsrelevant ist für mich letztlich die Frage der erzielbaren Ersparnis an Energiekosten. Bei einer Amortisationsdauer von ca. zwanzig Jahren rechnet sich diese Investition wahrscheinlich nicht, da mir diese Zeit auf Grund meines Alters nicht zur Verfügung steht“, erklärt der 75-Jährige. Zahlreiche Einfamilienhausbesitzer in seinem Bekanntenkreis stünden vor dem gleichen Problem. „Nicht alle verfügen über die notwendigen finanziellen Mittel und sie erhalten auf Grund ihrer zu geringen Lebenserwartung keinen Kredit von der Bank. Für diese Menschen kommen solche Investitionen gar nicht erst infrage.“

Kein Zwang zur sofortigen Modernisierung, Energieeffizienz entscheidend bei Verkauf und Vermietung

Wie und wann genau Eigentümerinnen und Eigentümer die Modernisierungsmaßnahmen an ihren Wohnhäusern durchführen müssen, ist in der geplanten EU-Richtlinie noch nicht abschließend geklärt worden. Eine Möglichkeit könnte laut Ruth Schagemann, der Präsidentin des Architects Council of Europe sein, dass die Energieeffizienz eines Gebäudes in Zukunft bei dessen Verkauf oder Vermietung eine entscheidende Rolle spielen könnte. Das wären Zeitpunkte, zu denen sich laut Schagemann eine Überprüfung der Energieeffizienzklasse und eine eventuelle Sanktionierung anbieten würde. Eine schlechte Energieeffizienzklasse könnte demnach dazu führen, dass beispielsweise der Marktwert des Gebäudes sinkt. Dies beträfe unter anderem Eigentümerinnen und Eigentümer, die ihre Immobile als Altersvorsorge haben, da sie das Gebäude nicht verkaufen oder vermieten können, ohne entsprechende Sanierungsmaßnahmen durchzuführen.

Die Europäische Kommission arbeitet bereits seit Ende 2021 an der EU-Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden. Am 14. März 2023 stimmte eine Mehrheit des Europäischen Parlamentes für die EPBD. Momentan werden Detailfragen geklärt. Dabei handelt es sich um informelle Verhandlungstreffen zwischen Vertreterinnen und Vertreter der drei am EU-Gesetzgebungsprozess beteiligten Organe –, also Kommission, Parlament und Ministerrat. Eine endgültige Fassung gibt es noch nicht. Sobald die Gebäuderichtlinie verabschiedet wird, liegt es an den jeweiligen EU-Mitgliedsstaaten, die Vorhaben in einen nationalen Renovierungsplan umzusetzen.

Letztlich ist es die Aufgabe der Politik, dafür zu sorgen, dass die Energiewende sozial abgesichert ist und es sich alle Menschen leisten können, ihr Eigentum energetisch zu sanieren. Ob Deutschland es jedoch schafft, drei Millionen Häuser bis 2030 zu modernisieren, wenn es schon an der Umsetzung einer kommunalen Wärmeplanung scheitert, bleibt fraglich.

Quelle: https://www.mdr.de/wissen/green-deal-wohnen-heizen-auf-dem-land-108.html